Die Elektronegativität ist eine relative Größe (von den Elementen zu einander), die angibt, wie stark ein Element Elektronen zu sich ran ziehen kann. Diese Anziehungskraft hängt hauptsächlich von zwei Einflussgrößen ab:

  1. Die Anzahl positiver Ladung im Kern (Anzahl der Protonen / Ordnungszahl), da negative Ladung (Elektronen) von positiver Ladung angezogen werden (elektrostatische Anziehungskraft)
  2. Der Abstand der anzuziehenden Elektronen von der positiven Ladung / Atomkern.

Daraus ergibt sich: mit zunehmender Ordnungszahl nimmt die Elektronegativität zu und mit zunehmender Schale/Periode nimmt die Elektronegativität ab. Also im Umkehrschluss nimmt die Elektronegativität mit abnehmender Schale/Periode, mit abnehmender Entfernung vom Kern, zu.

Inhalt

Darstellung der Einflussgrößen der Elektronegativität und die daraus resultierende Lage der Elemente mit dem höchsten und niedrigsten Elektronegativität

Abb. 1: Zeigt die zwei Einflussgrößen, die Anzahl an positiver Ladung und den Abstand der Valenzelektronen von Kern mit ihrer Wirkungsrichtung und dem daraus resultierenden Element mit dem höchsten EN-Wert, Fluor.

 

Link zur Tabelle mit allen EN-Werten (alle Skalen)
Pauling-Skala Standard

Wozu brauch ich EN-Werte überhaupt?

Zusammenhang von Bindungscharakter und Elektronegativitätsdifferenz

Je grösser die Differenz, desto stärker ist der Ionenbindungscharakter

Um Aussagen über den Bindungscharakter zu machen:

Aus der Differenz der EN-Werte läßt sich eine Aussage über den Bindungscharakter treffen. Abb. 2 zeigt den Zusammenhang von EN-Differenz (ΔEN) und Bindungscharakter, wobei bei geringen unterschieden es sich um eine kovalente Bindung handelt und bei hoher Differenz der ionische Bindungscharakter überwiegt. Ganz genau lässt es sich leider nicht sagen, da z. B. NaCl mit ΔEN=2,1 das Paradebeispiel eine ionischen Bindung ist und es eigentlich „nur 50% ionischen Bindungs-charakter“ haben sollte.

Um Aussagen über die Polarität der kovalenten Bindung zu machen:

Handelt es sich bei der Bindung um eine Kovalente Bindung, so kann eine Aussage darüber getroffen werden ob es sich bei der Bindung um eine polare Bindung (Bsp. H2O: ΔEN=1,4; s. Video zur Polarität des Wassers) oder eine unpolare Bindung (H-C – Bindung in Alkanen: ΔEN=0,4) handelt. Ob die Moleküle polar oder unpolar sind hat einen direkten Einfluss auf die molekulare Wechselwirkung (s. Video zur molekularen Wechselwirkung & hydrophobe Wechselwirkung) und somit darauf ob Verbindungen in Wasser (hydrophil/lipophob) oder organischen Lösungsmitteln löslich (hydrophob/lipophil) sind.

Sie spielen eine Rolle bei der Bestimmung der Oxidationszahl:

Bei der Oxidationszahlbestimmung werden die Bindungselektronen dem Element mit der höheren Elektronegativität zu gesprochen. Sind die EN-Werte gleich (homoatomare Bindung!; Erklärung s. Pauling-Skala) dann werden die Bindungselektronen in der Mitte geteilt und je Bindung ein Elektron zu jedem Bindungspartner gezählt. (s. Beitrag zur Oxidationszahlbestimmung).

Braucht sie bei Redoxreaktion um zu bestimmen wer oxidiert und wer reduziert wird:

Da die Elektronegativität eine Aussage darüber macht, wer Elektronen stärker zu sich ran ziehen kann, lässt sich so auch ermitteln welches Element reduziert und welches oxidiert wird. Oxidation ist die Abgabe von Elektronen, daher wird das schwächere Element oxidiert und das stärkere Element reduziert, weil es die Elektronen stärker zu sich ran zieht und dann Elektronen aufnimmt. (s. Video „Grundlagen der Chemie 5: Summenformeln und Reaktionsgleichungen„, hier stelle ich eine Redoxreaktion als Beispiel einer Reaktionsgleichung vor.)

Die Verschieden Skalen und was ihnen zugrundliegt (keine Formel – für Formeln bitte den untenstehenden Link zur Wikipedia-Seite verwenden):

Pauling-Skala

Die Pauling-Skala ist die erste Skala der Elektronegativität und wurde von Linus Pauling entworfen/entdeckt. Dabei werden Energieunterschiede zwischen homoatomaren Bindungen (Bindung zwischen gleichen Elementen; Bsp. H-H & Br-Br) und heteroatomarer Bindung (Bindung zwischen verschiedenen Elementen; Bsp. H-Br) untersucht.

Daraus lässt sich auf den Bindungscharakter der heteroatomaren Bindung schließen. Bei vollständig kovalenten Bindung (Ionischerbindungscharakter von 0%) sind die Bindungselektronen zwischen den Elementen gleich Verteilt (was bei einer homoatomaren Bindung der Fall ist) wohingegen bei einer vollständig ionischen Bindung (Ionischerbindungscharakter 100%)  befinden sich die Elektronen nur bei einem der beiden Bindungspartner.

Zwischen diesen zwei extremen, dargestellt in Abb. 2, liegt jede atomare Bindung und je größer der Unterschied, desto größer die Elektronegativität und so wahrscheinlicher ist ein ionischer Bindungscharakter. Handelt es sich bei der Bindung um eine kovalente Bindung bei der die Elektronen ungleich auf die Bindungspartner Verteilt sind, so spricht man hier von einer polaren Bindung, bei der partial (Teil-) Ladungen entstehen (s. auch Polarität des Wassers). Die Elektronegativität ist somit ein Maß dafür wie stark die Bindungselektronen zu einem Element hingezogen werden.

Allen-Skala

Die Allen-Skala wird durch die Energie der Valenzelektronen ermittelt, die sich spektroskopisch Bestimmen lässt. Daher nennt man sie auch spektroskopische Elektronegativität. Die spektroskopische Bestimmung hat den Vorteil, dass sie sich an jedem Element durchführen lässt und somit Daten für fast jedes Element existieren.

Allred-Rochow-Skala

Beruht auf der Überlegung, dass die Stärke der Elektronegativität der elektrostatischen Anziehungskraft auf die Bindungselektronen entsprechen muss. Diese Anziehungskraft ist abhängig vom Atomradius und der effektiven Kernladung (ergibt sich aus der Kernladung bei der Abschirmungseffekte der Elektronen tieferliegenden Schalen mit einbezogen werden).

Mulliken-Skala

Gibt die Elektronegativität als Mittelwert zwischen Ionisationsenergie (Energie die benötigt wird um ein Elektron aus dem Atom heraus zu lösen) und Elektronenaffinität (ist die Energie die benötigt wird ein Elektron aus einem Atom mit einfachem Elektronenüberschuss (Atom mit einem Elektron mehr als im Urzustand; A, einfaches Anion) an. Die Mulliken-Skala wird auch die „absolute Elektronegativität“ genannt, da sie nicht auf relativen Werten der Elemente zu einander beruht. Die Elektronenaffinität ist nicht so einfach zu bestimmen (57 Elemente stand 2006) weswegen es auf der Mulliken-Skala weniger Werte gibt.

Vergleich der Elektronegativitätsskalen von Pauling, Mulliken, Allen und Alfred & Rochow

Abb. 3: Vergleich der vier Elektronegativitätsskalen

Abb 3. Zeigt, dass alle vier Skalen sehr ähnliche Ergebnisse liefern. Die gebräuchlichste Skala ist die Pauling-Skala. Durch unterschiedliche Berechnung und Verwendung unterschiedlicher Standards (mal wird Fluor auf 3,98 oder Wasserstoff auf 2,20 gesetzt) können sich leichte Unterschiede zu den EN-Werten in euerm Periodensystem ergeben.

Für das Arbeiten mit EN-Werten, dass was man im Chemieunterricht damit machen muss, ist dass meistens unerheblich.

Elektronegativität bei Edelgasen

Da es bei der Elektronegativität darum geht Aussagen über den Bindungscharakter (kovalente mit und ohne polarem Charakter vs. ionische Bindung) zu treffen und die Elektronegativität ein Maß ist wie sehr ein Element Bindungselektronen zu sich heran zieht (s. Pauling-Skala) ist es notwendig, dass das Element das man untersucht Bindungen eingeht. Da das Edelgase nur sehr ungern tun (Helium und Neon tun es gar nicht) existieren auch keine Werte auf der Pauling-Skala.

Edelgase haben bereits Edelgaskonfiguration. Ihre Elektronenkonfiguration kann durch eine chemische Reaktion nicht verbessert werden. Da sie chemisch keine Bindungen eingehen ist es meist auch nicht notwendig ihre Elektronegativität anzugeben. Sie fehlen in den meisten Periodensystemen. Andere Bestimmungsmethoden (s. andere Skalen) erlauben es aber aussagen über ihre Elektronegativität von Edelgasen zu machen. Dabei zeigt sich, dass sie eine sehr hohe Elektronegativität besitzen. Nach der Allen-Skala hat Neon die höchste Elektronegativität (s. Abb. 1).

 

Wikipedia – Elektronegativität – deen