Um Wasser zu verstehen muss man seine wichtigste Eigenschaft verstehen, seine Polarität. Was das ist Polarität und wie sie entsteht, welchen Einfluss sie auf die Eigenschaften von Substanzen hat, darum geht es hier in diesem Beitrag. Da die Polarität von Wasser nicht einfach so vom Himmel fällt, sondern sich aus verschiedenen, grundlegenden Konzepten der Chemie ergibt, bedarf es einiges an Vorwissen.

Inhalt:
Grundlagen:

Damit ihr den Ausführungen folgen könnt, sollten folgende Begriffe klar sein:

Wem das nix sagt, seht euch bitte die verlinkten Beiträge zu den Themen an.

Wer keine Lust auf lesen hat, der kann sich die Videos der Reihe „Grundlagen der Chemie“ ansehen. Hier werden auch alle notwendigen Themen behandelt.

Grundlagen der Chemie

 

Video:

 

Wasser aka H2O:
Zeigt Schritt für Schritt den Weg von der Summenformel des Wassers hin zum polaren Molekül.

Abb. 1: Zeigt den Weg von der Summenformel, über die Elektronenkonfiguration, zum Molekül im bohrschen Atommodell, die hiervon abgeleitete Lewis-Schreibweise und den Einfluss der Elektronegativität hin zur Polarität von Wasser.

„Bist du des Lebens nicht mehr froh ertränke dich in H2O“ – Nein, das machen wir nicht! Bitte! Das ist nur zum Formel merken und kein Aufruf zum Suizid. Nicht das ich glaube jemand bräuchte diesen Spruch um sich die bekannteste chemische Formel der Welt zu merken, egal.

Jetzt haben wir schon mal die Summenformel. Das hilft uns jetzt nicht unbedingt weiter, außer dass man jetzt die Elemente, aus denen Wasser besteht, kennt: 2x Wasserstoff (H) und 1x Sauerstoff (O).

Jetzt nimmt man sich ein Periodensystem und leitet daraus die Elektronenkonfiguration ab (s. Abb. 1 Mitte oben). Wie man das genau macht, kann man hier nach lesen im Beitrag zur Elektronenkonfiguration.

Da beide Elemente Edelgaskonfiguration erreichen wollen, teilen sie sich die Elektronen. (Die Differenz der EN-Werte ist hier nicht groß genug um eine ionische Bindung hervorzubringen – für die Erklärung s. Beitrag zur Elektronegativität). Wenn Elektronen zwischen zwei Elementen geteilt werden, so nennt man das eine kovalente Bindung (s. auch Beitrag zu Chemische Bindung und Lewis-Schreibweise). Hier zählen die Bindungselektronen quasi sowohl zum Wasserstoff als auch zum Sauerstoff. Damit hat Wasserstoff zwei Elektronen und die Edelgaskonfiguration von Helium und Sauerstoff acht Elektronen und damit die Edelgaskonfiguration von Neon erreicht. Daher ergibt sich das in Abb. 1 oben rechts dargestellte Molekül nach dem bohrschen Atommodell. Wichtig ist, dass nur die Valenzelektronen (die Elektronen der Außenschale) an Bindungen beteiligt sind.

Da Bindungen immer aus zwei Elektronen, jeweils eines von jedem Bindungspartner, bestehen, hat sich zur Vereinfachung der Darstellung von Verbindungen die Lewis-Schreibweise bewehrt. Hier repräsentiert jeder Strich zwei Valenzelektronen. Ein Strich zwischen zwei Elementen ist eine Bindung. In Abb. 1 habe ich die Bindung noch zweifarbig markiert, dass es leichter verständlich ist, welche Elektronen aus dem bohrschen Atommodell an der Bindung beteiligt sind. Die Elektronen in der Bindung nennt man Bindungselektronenpaar, wohingegen die Striche die nicht zwischen zwei Elementen liegen freie Elektronenpaare heißen.

Der Winkel der sich beim Wasser ergibt und der so wichtig ist für die Eigenschaft des Wassers (s. u.) lässt sich aus dem Orbitalmodell ableiten. Ich möchte da jetzt nicht weiter darauf eingehen, nehmen wir es mal so hin. Wen es interessiert, der kann sich gerne meine Beiträge zum Orbitalmodell ansehen (s. „Einführung ins Orbitalmodell 1, 2 & 3“).

Als nächstes muss man wissen, dass das Bindungselektronenpaar beeinflusst wird von der Elektronegativität (EN) der Bindungspartner. Sind die Unterschiede zwischen den EN-Werten (ΔEN) groß, so zieht der stärkere der beiden Bindungspartner die Bindungselektronen näher zu sich ran. Dazu müssen wir wieder unser Periodensystem bemühen, wo sich die EN-Werte ablesen lassen. In unserem Fall ist der Sauerstoff (EN-Wert: 3,44) deutlich stärker als der Wasserstoff (EN-Wert: 2,2; ΔEN=1,24). Der Sauerstoff zieht also die Bindungselektronen näher zu sich heran. In der Lewis-Schreibweise verdeutlich man das dadurch, dass man die Bindung nicht mehr als Strich zeichnet, sondern ihn als ein Keil darstellt, wobei das dicke Ende zu dem Element zeigt, bei dem die Elektronen sind.

Ein Atom besteht aus einem positivgeladenem Kern und negativgeladenen Elektronen, die sich auf Schalen um den Kern herum befinden. Normalerweise gleichen sich diese Ladungen genau gegenseitig aus, so dass am Ende keine Ladung vorhanden ist (in ungeladenen Molekülen).

In unserem Fall aber, zieht das Sauerstoff die Elektronen zu sich heran, wodurch es negativer wird und zieht sie vom Wasserstoff weg, wodurch es positiver wird. Diese Ladung die dadurch entstehen sind keine ganzen Ladungen, wie sie durch die Ladungsträger (Elektron – negativ; Proton – positiv) repräsentiert werden, sondern Partialladungen (δ), was Teilladung bedeutet.

Diese Partialladung macht Wasser polar.

Einfluss der Geometrie auf die Polarität:

Wichtig ist, dass die Ladung alleine noch kein polares Molekül macht.

Darstellung der Auswirkung der Konformation auf die Polarität des Moleküls.

Abb. 2: Zeigt den Einfluss der Molekülgeometrie auf die Polarität am Beispiel von Wasser (H2O) und Kohlendioxyd (CO2)

Ein Molekül ist nur dann polar, wenn sich verschieden Ladungen auf gegenüberliegenden Seiten des Moleküls befinden, wenn also das Molekül auf der einen Seite negativ und auf der anderen Seite positiv ist. Beim CO2 befinden sich auf den gegenüberliegenden Seiten beide male negative Partialladungen, was auf den 180° Winkel zurückzuführen ist. Durch den Winkel von 104,45° im Wasser bilden sich die unterschiedlich geladen Seiten des Moleküls aus und es entsteht ein polares Molekül.

Dies hat dramatische Auswirkungen auf die molekularen Wechselwirkungen (s. Wasserstoffbrückenbindung im Beitrag zu molekulare Wechselwirkung) und damit auf die physikalischen und chemischen Eigenschaften von Wasser. Wäre Wasser gerade wie CO2 und hätte keine Winkel, dann gäbe es Leben wie wir es kennen nicht. Wasser könnte keine Ionen lösen (s. u.), wodurch die gesamten neurochemischen Prozesse der Reizweiterleitung nicht mehr möglich wären. Was soviel heißt, dass unser Gehirn und seine Funktionen so wie sie jetzt existiert nicht mehr möglich wären. Auch würde Wasser dann ähnlich wie CO2 erst bei -80°C gefrieren/kondensieren und bei den Temperaturen die auf der Erde herrschen wäre es gasförmig. Es gäbe also keine Ozeane, keine Flüsse, Seen, kein Regen, kein Wassereis und kein Schlittschuhlaufen. Das alles ist nur möglich wegen des Winkels von 104,45°.

 

Lösung von Ionen in Wasser (am Bsp. von NaCl):

Wasser als polares Lösungsmittel zeichnet sich gerade besonders darin aus, dass es Ionen besonders gut lösen kann. Das wird durch die Polarität des Wassers erst möglich.

Darstellung wie polare Lösungsmittel Ionen lösen am Beispiel von Wasser und Natriumchlorid

Abb. 3: Zeigt wie sich Natriumchlorid (NaCl) in Wasser löst.

In Abb. 3 ist zu sehen, wie sich das Wassermolekül ausrichtet, je nachdem welche Ladung das Ion hat. Zum negativen Chlorid-Anion zeigt es mit seinen positiv geladenen Füßchen. Mit dem negativ geladenen Köpfchen zeigt es zum positiv geladenem Natrium-Kation. Das hat zur Folge, dass die Ladung der Natrium- und Chlorid-Ionen durch eine Hydrathülle um geben wird. Die Ladung der Ionen wird dadurch abgeschwächt und auf die gesamte Oberfläche der sie umgebenden Hydrathülle verteilt. Dabei ist es durchaus möglich, dass sich mehrere Hüllen pro Ion bilden und nicht wie hier dargestellt nur eine. Das verdünnt die Ladung in der Lösung noch weiter und erhöht die Stabilität der Ionen in der Lösung. Dies ist einer der Grundlagen für die Wirkungsweise von Säuren und Basen in Wasser, genauso wie die Dissoziation von Wasser, was das nächste Thema in der Reihe zur Säure-Basen-Theorie nach Brønsted ist (Säure-Basen-Theorie nach Brønsted – 2: Dissoziation von Wasser).

2 thoughts on “Säure-Basen-Theorie nach Brønsted – 1: Polarität von Wassers

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